Paula Mierzowsky (*1988, Hildesheim)
Zu meinem Kunstwerkstoff zähle ich Gedanken, Gruppen, Videos, Fotos, Performances und Instruktionen.
Mit organischem Material habe ich begonnen. Die zuvor genießbaren und vertrauten Lebensmittel verwandelten sich in geschmähte Masse. Dabei sind schöne Landschaftsphotographien und Schaukästen entstanden. Danach beobachtete ich dann Maden als “logische Evolution” meines Interessengebietes. In vielen Schöpfungsmythen entsteht neues Leben aus Würmern, sonst sind sie eher mit der Vorstellung von Tod und Verwesung besetzt. Ihr Anblick kann verstörend sein. Zwischen Ekel und Zuneigung arbeitete ich. Zuneigung, weil die Larven in ihrer Einfachheit und Langsamkeit von Zufriedenheit zeugten. Mit Bienenlarven sympathisierte ich und erprobte mit diesen als Schauspielern von Morgen eine Stellvertreter-Welt. Dabei schaute ich auf die Art, wie wir versuchen, uns unbeliebte Dinge vom Leib zu halten.
Es folgten ein schamanisches Gespräch mit meinem Krafttier, eine Reise durch Zeit und Raum, auf Theaterbühnen zwischen Inszenierung und Selbstbestimmtheit. Später habe ich gruppendynamische ekstaseorientierte Performances/Interventionen gemacht.
Mit Tänzern in der Menge von Zuschauern geatmet. Ein Gebäude als Channel verwendet um emotionale Distanzen zu überbrücken. Ein Bad im Schlamm genommen und später eine kleine Menschengruppe hineingebettet. Ein Kissen behandelt und in Zeitlupentempo gekämpft.
Die Menschen sind die grausamste und einfühlsamste Spezies zugleich. Die zivilisierte Gesellschaft versucht einen Mittelwert als oberstes Gebot zu halten. Das wir uns hier in einer emanzipierten, sicheren Bewusstseinswolke befinden, ist ein Ausgangspunkt meiner Handlung und meiner Gedanken. Das sichere Kuppelkonstrukt ist auch instabil und bewahrt Untiefen in seinen Grundfesten. Eigentlich können wir uns nicht sicher sein, müssen uns nicht sicher fühlen. Ich sehe Komfortzone vs. Actionfilm passieren.
Wie weit kontrollieren wir uns eigentlich und wie stark lechzen wir nach zerstörerischer Ausgelassenheit?
Ich mache künstlerische Arbeiten um den gewohnten Blick zu irritieren und um Fragestellungen nach der Authentizität der etablierten Realität aufzuwerfen. Ich bin mit meinen “Instrumenten” beschäftigt, Grenzen zwischen Animalischem und Menschlichem zu behandeln, die Selbstverständlichkeit von Alltagsprozessen zu prüfen, und die Unschuldsaura zu hintergehen. Auslöser und Antrieb meines Handelns sind ganz oft Gefühle und Wünsche, plötzliche Begegnungen die ich symbolisch zu Schwerverbrechern oder libidinösen Entitäten deklariere. Oft entdecke ich, dass “harmlose” Geschehnisse alte und mächtige Strukturen in sich tragen. Den Schweiß, der bei zwischenmenschlichen Spannungen entsteht, will ich in kleine Karamelltropfen formen um Essenzen herzustellen, die einem die Arkadien näher bringen.
Ich strebe eine Arbeitsweise an, deren Ergebnisse zu einem Werk führen, das Opium und Eisbad zugleich ist. Ein bisschen wie Liebe.